Auf die Daten kommt es an

Durch neue digitale Möglichkeiten in der Medizin können beispielsweise Patienten mit Herz-Kreis-lauferkrankungen über ein Computersystem überwacht werden. In den Städtischen Kliniken Mönchengladbach gehört dies schon zum Alltag.

Wer heute über das Thema Zukunft in der Medizin spricht, hat dabei nicht mehr allein einen bestimmten Fortschritt in der Entwicklung neuer Medikamente und Therapiemöglichkeiten im Blick. Denn dies ist nur ein Aspekt. „Auf der anderen Seite sehen wir eine umfassende Digitalisierung im Gesundheitswesen, die bereits schon mehrere Ebenen erfasst hat. Wir sehen beispielsweise einen extremen Fortschritt in der Telemedizin, die durch die Aufhebung des Fernbehandlungsverbots wesentlich verstärkt werden wird und die stärkere Vernetzungsmöglichkeit des Patienten mit Praxen und Krankenhäusern vorantreibt“, sagt Thorsten Celary, Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Mönchengladbach (Elisabeth-Krankenhaus).
Dadurch werde es jetzt möglich, nicht nur eine Zweitmeinung über einen digitalen Kanal einzuholen, sondern gerade eine Erstbegutachtung durchzuführen. „Das führt zu einer erheblichen Vereinfachung in Diagnostik und zielgenauerer Therapie. Wir vermeiden dadurch Anfahrts- und Wartezeiten der Patienten und entlasten Praxen und Notfallambulanzen. Die Weiterentwicklung in der Telemedizin ist ein wichtiger Schritt hin zur personalisierten Medizin. Diese kann durch Informationen über Patienten-individuelle Besonderheiten wichtige Hinweise auf die Eignung eines Medikaments im Einzelfall geben und die Qualität der Verschreibung erhöhen“, sagt der Gesundheitsexperte.
Entscheidend dabei: Digitale Lösungen benötigen komplexe Datensätze der Patienten. Schließlich könne ein Arzt nur dann haltbar beraten, wenn er über umfangreiches Wissen über einen Patienten verfügt, betont Thorsten Celary. „Der Vorteil ist, dass sich über moderne technische Lösungen diese Daten zuhause dauerhaft vom Nutzer erheben und auf sicheren Plattformen
speichern lassen. Das gilt zum Beispiel für ein Langzeit-EKG unter normalen alltäglichen Belastungssituationen. Früher war dies sehr aufwändig, heute ist dies bereits über Smartphone, bestimmte Uhren und Fitness-Armbänder möglich.“
Auch Blutdruck und Puls können kontinuierlich erfasst werden. Ein Patient erhält ein kleines Pflaster, das mittels einer Bluetooth-Verbindung die Messwerte an das Smartphone und damit an die entsprechende Software überträgt. Das passiert kontinuierlich und steigert damit die Sicherheit für Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen erheblich.
„Diese Möglichkeiten setzen wir in der Kardiologie als Modellversuch bereits ein. Das versetzt uns in die Lage, einen Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen von extern laufend zu überwachen und Erkenntnisse über Puls, Blutdruck etc. in bestimmten Situationen zu gewinnen. Das führt dazu, dass wir viel genauer behandeln können – personalisierte Medizin ist hier wieder das Stichwort“, sagt Prof. Dr. Georg V. Sabin, Chefarzt der Kardiologie am Elisabeth-Krankenhaus. Zugleich seien die Apps der verschiedenen Anbieter noch nicht standardisiert, sodass sie noch nicht in der Breite eingesetzt werden könnten.
Seine Haltung: „Ein gesunder Lebensstil ist die eine Hälfte einer gelungenen Prävention. Die andere Hälfte besteht eben darin, dass so viele Informationen wie möglich über den Patienten gesammelt und ausgewertet werden.
Durch die Kombination aus einem gesundheitsfördernden Lebensstil und wissenschaftlichen Daten entsteht ein umfassendes Konzept für die kardiologische Vorsorge.“
Das ist übrigens keine Einzelmeinung, sondern nachgewiesen. Eine deutsche Großstudie hat aktuell festgestellt, dass Telemonitoring – also die Echtzeit-Überwachung eines Patienten – bei Herzinsuffizienz die Sterblichkeit senkt. Georg Sabin weist dabei besonders auch auf den Wert dieser Möglichkeiten für chronisch Kranke hin. „Durch die Überwachung erhöhen wir die Lebens- und Behandlungsqualität dieser Personen nachhaltig.“
Bei der Veranstaltung „Forum Zukunftsmedizin“ der Rheinischen Post haben Prof. Georg Sabin und Thorsten Celary übrigens eine Modelllösung in der Telemedizin unter dem Titel „Smart Hospital Studio“ vorgestellt. Über Virtual Reality-Brillen kommunizierten sie in einem virtuellen Raum miteinander, auf einer Software-Oberfläche waren alle medizinischen Daten des „Patienten“ Thorsten Celary abgebildet, die Georg Sabin als Behandler ausgewertet und mit Celary im virtuellen Raum besprochen hat. Ohne Probleme hätten bei Bedarf weitere Fachmediziner den Raum betreten können, beispielsweise ein Herz-Chirurg aus der Uniklinik Düsseldorf, um den Patienten Celary umfassend aufzuklären und zu beraten.
Die Experten betonen auch die positiven Ergebnisse der Leserbefragung im Rahmen des „Forums Zukunftsmedizin“. Unter anderem ergab die Umfrage, dass eine hohe Bereitschaft besteht, individuelle medizinische Daten zu erheben und weitergehend zu verwerten. Allerdings weisen die Experten trotz aller Zuversicht in die künftigen Chancen auch auf eine noch zu führende Diskussion hinsichtlich Ethik und Wissensmonopole hin. Krankenhauschef Celary fordert indes eine größere Konzentration in Deutschland auf diese Themen. „Digitalisierung in der Medizin ist noch ein Flickenteppich aus vielen Anbietern und Lösungen. Wir hinken bei einem durchgängigen Standard für Datenübertragung etc. noch hinterher, auch wenn uns die Software-Industrie da etwas anderes verspricht. Dabei lassen sich die Möglichkeiten heute schon in der Breite nutzen, Fördermittel stehen auch zur Verfügung. Und je einfacher sich die Geräte bedienen lassen, desto höher wird dann wiederum die Akzeptanz und Motivation in der Bevölkerung.“

Patrick Peters

Experte

Prof. Dr. Georg V. Sabin

Chefarzt der Kardiologie am Elisabeth-Krankenhaus in Mönchengladbach

Durch die personalisierte Medizin können wir viel genauer behandeln



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