Der medizinische Fortschritt entwickelt sich rasant, und in der Kardiologie geht es noch etwas schneller. „Die Kardiologie ist ein sehr lebendiges Fach, ungefähr alle fünf bis sechs Jahre ist das aktuelle Wissen zu einem großen Teil überholt. Dieser hohe Umschlag an Erkenntnissen macht Innovationen in Prävention und klinischer Praxis besonders wichtig“, sagt Prof. Dr. Georg V. Sabin, Chefarzt der Kardiologie am Elisabeth-Krankenhaus in Mönchengladbach (Städtische Kliniken). Mit mehr als 1200 Mitarbeitern und rund 540 Betten versorgt das Krankenhaus jährlich 28.000 Patienten stationär und 50.000 Patienten ambulant in zahlreichen Kliniken und Zentren.
Eine solche Innovation ist der Einsatz genetischer Daten und der Künstlichen Intelligenz in der Prävention, Diagnostik und Therapie kardiologischer Erkrankungen. Aus den gesammelten genetischen Informationen der Patienten können Erkenntnisse abgeleitet werden, welche Erkrankungen in der Zukunft mit welchem Risiko höchstwahrscheinlich eintreten werden – vom Bluthochdruck bis hin zum Herzinfarkt oder Schlaganfall. „In der Onkologie ist dies bereits etabliert. Dort werden genetische Informationen genutzt, um individuelle Therapieprogramme bei Krebserkrankten zu entwickeln. Damit sind auch personalisierte Daten gemeint, die die weitere präzise Anwendung von Krebsmedikamenten ermöglichen. Dies wird nun auch auf die Kardiologie übertragen“, sagt Georg Sabin.
Er ist der Überzeugung, dass Prävention ohne genetisches Datenmaterial nicht mehr funktionieren kann. „Ein gesunder Lebensstil ist die eine Hälfte einer gelungenen Prävention. Die andere Hälfte besteht eben darin, dass
so viele Informationen wie möglich über den Patienten gesammelt und ausgewertet werden. Durch die Kombination aus einem gesundheitsfördernden Lebensstil und wissenschaftlichen Daten entsteht ein umfassendes Konzept für die kardiologische Vorsorge.“
Entscheidend ist laut dem anerkannten Kardiologen, dass diese Daten so individuell wie möglich sind. Will heißen: „Es ist eine neue Form der Datenerhebung notwendig, die sich ausschließlich persönlich auf den Patienten bezieht. Dies wird dann mit dem Einsatz der Künstlichen Intelligenz systematisch genutzt, um mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Risikofaktoren zu prognostizieren und entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen.“ Ohne den Einsatz Künstlicher Intelligenz seien diese Datenmengen nicht zu bewältigen, aber zugleich dürfe die IT auch nie unabhängig vom Menschen funktionieren – ein Arzt müsse immer die Kontrolle behalten. Künstliche Intelligenz ist in diesem Zusammenhang im Sinne von Algorithmen zu verstehen, die angelernt, trainiert und getestet werden (Deep Learning).
Auch der rechtliche Rahmen sei klar definiert, sagt
Georg Sabin weiter: Der Patient muss immer die Einwilligung in die digitale Datenerhebung und Weiternutzung erteilen. Der Arzt betont zudem, dass er eine „ethische Debatte“ zu dem Thema erwarte und diese auch fordere. „Diese digitale medizinische Innovation kann zu einem fundamentalen Wandel führen. Das ist natürlich eine gesellschaftlich relevante Fragestellung, über die es zu sprechen gilt.“
Apropos sprechen: Der Professor wirft auch die Frage
auf, inwieweit die Patienten die Risiken überhaupt kennen wollen. Der Einsatz sei, die Menschen schlauer zu machen, aber zugleich auch Vermeidungsstrategien zu entwickeln – sei es, um sie bei einer positiven Prognose vor einem allzu laxen Umgang mit ihrer Gesundheit zu schützen, oder sei es, um bei einer eher negativen Prognose Hoffnungslosigkeit zu verhindern.
Georg Sabin nennt auch die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf die Unternehmen. „Ärzte werden durch die neue Systematik wesentlich mehr Zeit haben, sich um ihre Patienten zu kümmern. Aktuell verbringen Krankenhausärzte etwa 55 Prozent ihrer Zeit mit der Adminis-
tration. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann dies erheblich reduziert werden. Externe Systeme erstellen personalisierte Gesundheitspläne mit festgelegten Prioritäten. Das schafft mehr Freiheiten für die ärztliche Praxis und kommt dementsprechend den Patienten zugute.“
Überhaupt ist die Kardiologie am Elisabeth-Krankenhaus voll auf die Zukunft ausgerichtet. „Der Mensch, also wir, wird mit seinen Daten, seinem Wissen und veränderten Verhaltensweisen selbstbewusster und aktiver auftreten. Eine veränderte arbeitsteilige und hochvernetzte Kardiologie wie am Elisabeth-Krankenhaus wird ihn dabei unterstützen“, sagt der neue Geschäftsführer Thorsten Celary.
Patrick Peters
Chefarzt der Kardiologie am
Elisabeth-Krankenhaus in Mönchengladbach
„Ärzte werden durch die neue Systematik wesentlich mehr Zeit haben, sich um ihre Patienten zu kümmern“
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