Noch im Frühjahr und Sommer stand Deutschland weltweit bei der Pandemiebekämpfung sehr gut da. Die Bundeskanzlerin hatte die Bevölkerung erfolgreich zur Vorsicht aufgerufen. Die Mehrheit der Deutschen befürwortete ihr sachliches Krisenmanagement. Was dann jedoch folgte, war ein Wirrwarr aus Verordnungen einzelner Bundesländer. Es zeigt sich: Ineffizienter Föderalismus löst unsere Probleme nicht.
Wir erleben zur Zeit – nicht unerwartet – ein dynamisches Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie. Anders als im Frühjahr entscheiden jetzt jedoch Politiker aller Bundesländer mit unterschiedlicher Kenntnis von Infektionskrankheiten und Epidemiologie über notwendige Maßnahmen zur Begrenzung der Pandemie. Nicht selten im durchaus nachvollziehbaren Interesse ihres eigenen Bundeslandes. Jedoch häufig nicht entschieden genug.
Die zweite Welle der Pandemie befindet sich bereits im Bereich des exponentiellen Wachstums. Ein Vergleich mit europäischen Nachbarländern – Frankreich, Holland, Spanien, Tschechien – macht deutlich, wie dramatisch das Infektionsgeschehen verlaufen kann. Nun kam es in Deutschland zu einem Treffen der Ministerpräsidenten aller Bundesländer mit der Bundeskanzlerin. Leider konnte man sich jedoch nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner von Auflagen, Beschränkungen, Maßnahmen und eventuellen Strafen einigen.
Die Bundeskanzlerin hat die getroffenen Beschlüsse deutlich – und zu Recht – als möglicherweise nicht ausreichend bezeichnet. Der Bürger erlebt und erfährt von unterschiedlichen Maßnahmen, die zum Teil auch widersprüchlich sind, zum Teil rasch nach Beschlussfassung geändert oder zum Teil sogar komplett aufgehoben werden. Offenbar dienen viele Maßnahmen mehr den subjektiven Interessen der einzelnen Bundesländer.
Sperrstunden, Beherbergungsverbote, Beschränkungen privater Treffen, Abriegelung von Risiko-gebieten und vieles mehr versucht der Bundesbürger zu verstehen, weiß jedoch zugleich, dass diese Maßnahmen – so verwirrend und schwer nachvollziehbar sie auch sein mögen – keinesfalls ausreichen, die Zahl der Infektionen zu reduzieren.
Die Bundeskanzlerin macht keinen Hehl aus ihrer Skepsis – viele Bundesbürger ebenfalls nicht. Es bleibt nur die Hoffnung auf eine verständnisvolle, einsichtige und zuverlässige Haltung der deutschen Bevölkerung. Die Mahnungen der Bundeskanzlerin sind deutlich. Die Aggressivität des Virus ist unverändert. Mögliche aber durchaus wahrscheinliche Folgen für die Gesundheit von uns allen, aber auch für den Erhalt einer leistungsstarken Wirtschaft stehen jetzt auf dem Spiel.
Der Autor
Prof. Dr. Heiner Greten ist Beirat des „Forum Zukunftsmedizin“.
Die Ausführungen beschreiben die subjektive Meinung des Autors.
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